Forschung

Was tun in der Krise? Neuer Beitrag von Prof. Dr. Garg!

Prof. Dr. Ritam Garg, Stiftungsprofessor für interkulturelles Management am Campus Rothenburg hat sich mit der Frage beschäftigt, wie Unternehmen aus der aktuellen Krise lernen können, um für zukünftige Krisen gut vorbereitet zu sein. Die wichtigsten Punkte hat Prof. Dr. Garg in nachfolgendem Beitrag zusammengefasst:

Krisenmanagement – Wie lässt sich der Ernstfall vorbereiten?

Prof. Dr. Ritam Garg, Juni 2020

 

Infolge der Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft einen dramatischen Wandel erfahren.  In der Konsequenz waren Unternehmen und ganze Volkswirtschaften in Bezug auf Wachstum und Produktivität großen Turbulenzen ausgesetzt. So suchen Unternehmen, die bislang auf ihre bewährten Produktionsprozesse vertrauen konnten, neue Wege, um ihre Geschäftsmodelle nicht nur schnell, sondern auch reibungslos an das sich ständig verändernde und volatile Geschäftsumfeld anpassen zu können.

In der Regel verfügen die meisten Gesellschaften und Organisationen über Pläne zur Bewältigung von Naturkatarkatastrophen wie bspw. Erdbeben oder Überschwemmungen. Daher stellt sich umso dringender die Frage, warum in diesem Fall kaum jemand auf einen akuten medizinischen Notfall wie diesen vorbereitet war. Vielleicht war die Gefahr in der Vorstellung der meisten Menschen zu abstrakt, um diese auch als konkrete Bedrohung für das eigene Unternehmen einzustufen. Doch Aufzeichnungen der WHO belegen, dass die Gefahr einer Pandemie in den vergangenen Jahren immer existent war und dass im Zeitraum zwischen den Jahren 2011 und 2017 weltweit 1.307 epidemische Ereignisse stattgefunden haben (WHO/IHM, 2018). Darüber hinaus richten selbst Epidemien bei ihrem Ausbruch in der Regel einen enormen wirtschaftlichen Schaden an und können dem Alltagsleben einer ganzen Bevölkerung außerordentlichen Schaden zufügen.

Aber warum ist speziell diese Pandemie so schlimm? Vielleicht hat zum ersten Mal in der modernen Wirtschaftsgeschichte eine Krise praktisch von heute auf morgen eine Schockstarre im wirtschaftlichen Leben ausgelöst. Aufgrund globaler Handelspartnerschaften, grenzüberschreitender Investitionen sowie weltweiter Wertschöpfungsketten kann sich eine einzige Störung im Wirtschaftssystem schnell über den ganzen Globus verbreiten.

Grundsätzlich können alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe von einer unerwarteten Krise betroffen sein. Trotz der Einzigartigkeit jeder Krise gibt es allgemein übertragbare Strategien, die zur Bewältigung von Krisen umgesetzt werden können. Daher liegt es im Interesse aller Unternehmen, über einen wirksamen Krisenmanagementplan zu verfügen. Dieser sollte auch systematische Prozesse beinhalten, welche im Krisenmodus die Aufrechterhaltung der Kontrolle über das Unternehmen sicherstellen. Dies kann z.B. dadurch umgesetzt werden, indem die organisatorische Landschaft kontinuierlich beobachtet und auf sich abzeichnende Trends oder Veränderungen der Umweltfaktoren überprüft wird.

Damit Unternehmen einen wirksamen Krisenmanagementplan haben, sollten folgende Schritte beachtet werden:

#1 Krise antizipieren

Der größte Vorteil der rechtzeitigen Antizipation einer Krise besteht darin, dass Organisationen für den besten und schlimmsten Fall planen können. Darüber hinaus können sie in einigen Fällen sogar wirksame Strategien entwickeln und umsetzen, um die Krise proaktiv anzugehen.

#2 Kommunikationskanal und Kommunikationsteam etablieren

Der Vorteil eines Kommunikationsteams besteht darin, in der Krise die Reaktionen des Unternehmens schnell an die Außenwelt weitergeben zu können. Im Idealfall leitet die Führung des jeweiligen Unternehmens dieses Team und gibt Stellungnahmen ab oder wendet sich mit der Hilfe von Kommunikationsexperten*innen an die Medien. Dabei muss das Unternehmen die jeweils passenden Kommunikationskanäle identifizieren – je nach Zielgruppe.

# 3 Mit Stakeholdern kommunizieren

Es liegt im Interesse eines Unternehmens, sämtliche Stakeholder zu kennen. Denn die Stakeholder eines Unternehmens erwarten von ihrem Unternehmen eine angemessene Reaktion auf die Krise und Antworten auf drängende Fragen.

Darüber hinaus ist es von größter Bedeutung, dass Unternehmen mit ihrem wichtigsten (und womöglich am stärksten betroffenen) Stakeholder – den Mitarbeiter*innen – kommunizieren und das Wohlergehen der Belegschaft der Erreichung von Unternehmenszielen überordnen. Unternehmen sollten über klar definierte Prozesse verfügen, die sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter*innen weiterhin motiviert, loyal sowie produktiv arbeiten können. Modelle wie Heimarbeit oder virtuelle Teams sollten bereits vor einer Krise in Betracht gezogen werden, damit der Übergang vom Arbeitsmodus vor der Krise zum Arbeitsmodus während der Krise und schließlich nach der Krise so reibungslos wie möglich verläuft. Darüber hinaus sollten Unternehmen nicht nur mit ihren externen Stakeholdern kommunizieren, sondern auch Lösungen für die Fragen und Sorgen der Belegschaft bereithalten.

#4 Krise ernst nehmen

Ein weiterer wichtiger Aspekt für Unternehmen ist es, die Krise ernst zu nehmen. Dabei sollten sich die Unternehmen auf Fakten und nicht auf Gerüchte oder Falschnachrichten verlassen. Des Weiteren empfiehlt es sich, Prioritäten in der Krise zu setzten, einen Zeitplan für die nächsten Schritte zu definieren, proaktiv sowie präsent zu sein. Aber auch wenn es manchen Unternehmen während der Krise nicht möglich ist, zu arbeiten, sollten sie sicherstellen, dass sich ihre Stakeholder auf sie verlassen können. Unternehmen sollten die Zeit nutzen, um Strukturen für eine eventuelle Öffnung der Märkte zu schaffen. Dies sichert den Unternehmen, dass sie auch nach der Marktöffnung von der während der Krise geleisteten Arbeit profitieren können.

#5 Wertschöpfungsketten umgestalten

Durch eine Krise kann die gesamte Wertschöpfungskette unter Druck geraten. Unternehmen sollten daher Maßnahmen zur Erhaltung der Lieferketten ergreifen und mit ihren Lieferanten eng zusammenarbeiten. Eine Neudefinition der Strategien und Ziele des Unternehmens kann dies unterstützen. Dabei sollte sich gefragt werden, welche Faktoren für das Unternehmen wichtig sind, um unter Belastung effizient arbeiten zu können.

#6 Analyse nach der Krise durchführen

Gemäß dem Sprichwort „Auch das geht vorbei“ müssen Unternehmen in der Lage sein, ihr Verhalten während der Krise zu analysieren und kritisch zu reflektieren, damit in der Zeit nach der Krise Verbesserungen auch umgesetzt werden können. Unternehmen sollten mit diesem Prozess nicht erst nach der Krise beginnen, sondern sich bereits während der Krise auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten. Grundsätzlich sollten sich Unternehmen nur auf Daten aus verlässlichen Quellen verlassen, um Prognosen bzgl. der wirtschaftlichen Erholungszeit und -geschwindigkeit aufstellen sowie weitere Wirtschaftsprognosen und Erholungskurven für ihre zu ergreifenden Maßnahmen auswerten zu können.  Nichtsdestotrotz sollten Unternehmen auch für einen möglichen neuen Ernstfall planen (Double Dip).

Mit den hier aufgeführten Schritten können Unternehmen geeignete und durchführbare Prinzipien für ein effektives Krisenmanagement aufstellen sowie sich gleichzeitig für kommende Krisen rüsten. Grundsätzlich ist es für Unternehmen ratsam, während der Krise die durchgeführten Maßnahmen zu protokollieren, Expert*innen zur Bewältigung der Krise zu identifizieren und nicht nur mit Kunden*innen, sondern auch mit Mitarbeitern*innen und anderen Stakeholdern zu kommunizieren. Zudem zahlt sich in Krisenzeiten ein vorab erstellter und systematisch angelegter Krisenmanagementplan aus. Ein solcher Plan zeigt zudem, dass Unternehmen die Krise nicht nur proaktiv angehen, sondern sich auch ernsthaft um die Sorgen ihrer Stakeholder kümmern. Wenn die Grundsätze des Krisenmanagements richtig umgesetzt werden, können Unternehmen mit der Zeit schließlich ihren Umsatz, ihre Glaubwürdigkeit und letztlich auch das Vertrauen ihrer Belegschaft zurückgewinnen.

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